Videojournalisten, im redaktionellen Sprachgebraucht auch oft VJs genannt, sind echte Allround-Talente. Sie müssen Dreh- und Interviewtermine organisieren, ansprechende Texte mit tollen Bildern verknüpfen und im besten Fall auch noch diverse Kameratechniken mitsamt Licht und Ton beherrschen – kurzum: Videojournalist ist ein Vollzeitjob. Viele Videojournalisten arbeiten als feste oder freie Mitarbeiter bei öffentlich-rechtlichen oder auch privaten Fernsehsendern und legen sich nicht zwingend auf eine Redaktion oder ein Ressort fest. Daher kann hier kein allgemein gültiger Überblick, sondern nur ein kurzer Einblick über die Entstehung eines Magazinbeitrages gegeben werden. In diesem Beitrag erfährst du, wie du:
1. ein übersichtliches Konzept erstellst
2. einen erfolgreichen Dreh organisierst
3. Archivbilder bestmöglich einsetzt
4. einen einprägsamen Sprechertext gestaltest
5. Klassische Fehler im Videojournalismus vermeidest
Recherchieren und Konzept erstellen
Ist erst einmal ein Thema gefunden, geht es sofort an die Recherche: schließlich möchte man nur mit Informationen arbeiten, die auch wirklich stimmen. In der Regel habt ihr bei der Entstehung eines Beitrags genügend Zeit, um ausführlich zu recherchieren. Nur wenige Beiträge werden „mit der heißen Nadel gestrickt“ und müssen am nächsten Tag fertig sein. Ausnahmen gelten natürlich vor allem für Nachrichtenformate. Schon früh sollte euch klar sein, ob ihr für den Beitrag vielleicht einen Interviewpartner braucht: Denn die lassen sich normalerweise nicht ganz spontan organisieren, sondern müssen im Voraus geplant werden. Meinungsumfragen, sogenannte Vox pops, lassen sich auch ohne große Vorbereitung durchführen. Allerdings werdet ihr hier feststellen, dass sich viele Menschen nur sehr ungern vor die Kamera wagen und man oft viele verschiedene Personen ansprechen muss, bis sich endlich jemand traut.
Das Konzept ist bei der Vorbereitung wohl am wichtigsten. Wie soll mein Beitrag aufgebaut sein? Welche Bilder möchte ich zeigen? Weiß ich schon ungefähr, wie der Text lautet? Beim Konzeptionieren hilft es anfangs oft, sich nicht auf Genaueres festzulegen, sondern einfach drauf los zu schreiben – den Feinschliff macht man erst später. Im besten Falle steht nach dem ersten Brainstoming eine Art Tabelle fest, in der grob skizziert wurde, welcher Bildinhalt mit welchem Text zu sehen sein soll.
Archive durchsuchen und den Dreh organisieren
Normalerweise wird von der Redaktionsleitung „frisches“ Material gefordert – das bedeutet, dass für den Beitrag neue Bilder gedreht werden sollen. Allerdings gilt: Wer die Möglichkeit hat, auf ein Archiv zurückzugreifen, sollte sich diese Gelegenheit auf keinen Fall entgehen lassen. Sogenanntes Archivmaterial kann einen Beitrag nicht nur künstlich strecken, sondern auch mit Bildern untermalen, die man bei einem gewöhnlichen Drehtag gar nicht erst vor die Linse bekommt. Viele Redaktionen arbeiten mit gut organisierten Archiven, in denen man mit nur wenigen Mausklicks Zugriff auf Tausende Beiträge hat.
Besonders interessant sind auch sogenannte Insert-Studios. Mal angenommen, ihr möchtet in eurem Beitrag ein Foto zeigen – aber nicht einfach nur abgefilmt, sondern mit dynamischer Kamerafahrt, schnellem Fokus oder ähnlichen Spielereien. Hier kommt das Insert-Studio ins Spiel.
Dort lässt sich (fast) alles Detailreiche, was ihr euch für euren Beitrag wünscht, verwirklichen. Zoom auf Obama, dann Rechtsschwenk zum Papst? Schnelle Kamerafahrt, anschließend eine Detailaufnahme? Alles kein Problem! Nach euren Vorstellungen wird gefilmt, was immer ihr möchtet – oft auch stundenlang, denn Aufnahmen wie diese peppen jeden Beitrag auf.
Wenn „in real life“ Material produziert werden soll und ihr nicht allein mit einer Handkamera losziehen möchtet, müsst ihr ein Kamerateam buchen. Diese bestehen in der Regel aus professionellen Kameramännern und -frauen mit viel Erfahrung, was besonders ungeübten VJs oft viel Ärger erspart. Bei großen Rundfunkanstalten gibt es eine eigene Abteilung, die die Kamerateams organisiert und vermittelt, die Kameradispo. Auch hier gilt: im Zweifelsfall lieber etwas früher dran denken. Gerade bei Drehs am Wochenende oder an Feiertagen muss die Kameradispo genügend Zeit haben, ein geeignetes Team auf die Beine zu stellen. Wer Samstagfrüh drehen will und Freitagabend in der Dispo anruft, hat dabei keine guten Chancen.
Drehen und Sichten
Wie ein Dreh vonstatten geht, lässt sich natürlich nur schwer pauschalisieren. Das hängt vom Thema, der journalistischen Darstellungsform und einigen weiteren Faktoren ab. Eine Reportage muss anders gedreht werden als ein Satirebeitrag, und eine Nachricht wird anders gestaltet als ein Kommentar. Fast immer hat man jedoch mit einem oder mehreren Interviewpartnern zu tun – deshalb findet ihr hier einige wichtige Tipps und Tricks zum Thema „Wie führe ich ein Interview?“
Das Material ist im Kasten? Perfekt, dann muss es gesichtet werden. Je nach Speichermedium kann man das in speziellen Sichtungsräumen oder auch sogar zu Hause erledigen. Beim Sichten wollen wir einen Überblick über das gedrehte Material erhalten. Dabei kann es helfen, sich eine Tabelle mit dem Bildinhalt, prägnanten Zitaten der Protagonisten und den dazugehörigen Timecodes anzulegen. So findet man die ausgewählten Stellen im Schnitt später schnell wieder und verplempert keine Zeit mehr. Professionelle VJs machen ab und an auch einen Vorschnitt, bei dem sie unbenutzbares Bildmaterial entfernen und nur mit dem gewünschten Material zum Schnitttermin erscheinen. Das spart zwar etwas Zeit, empfiehlt sich für Anfänger jedoch nicht.
Schneiden und Vertonen
Jede Rundfunkanstalt verfügt über bestens ausgebildete Cutter, die zusammen mit den Autoren das Filmmaterial bearbeiten und die Bilder in eine dramaturgisch sinnvolle Reihenfolge bringen. Zwar beherrschen viele VJs auch das Schneiden, trotzdem ist es angenehm, sich auf die Expertise eines Cutters verlassen zu können – außerdem sehen vier Augen mehr als zwei und oftmals hat der Cutter noch im letzten Moment die entscheidende Idee, die den Beitrag erst wirklich lebendig wirken lässt. Außerdem können im Schnitt noch Effekte eingeblendet, Lautstärken verändert und Hintergrundmusik eingefügt werden. Parallel dazu wird der Sprechertext erstellt – hierfür haben wir einige Tipps zusammengetragen.
Drei praktische Tipps fürs Texten
In der Vertonung geht es schließlich ans Eingemachte – dort spricht ein/e professionelle/r Sprecher/in den Text ein, den du dir für deinen Beitrag überlegt hast. Dafür kannst du ihm oder ihr via Mikrophon Anweisungen geben – etwa, wenn du eine Stelle besonders betont haben willst oder dir eine andere Formulierung doch besser gefällt. Je nach Beitragslänge – ein Magazinbeitrag ist in der Regel zwischen drei und sechs Minuten lang – dauert das nicht allzu lange; zumindest, wenn du alles sorgfältig vorbereitet hast.
Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – außerdem unterscheiden sich, wie bereits oben erwähnt, die Techniken und Praktiken von Redaktion zu Redaktion. Deshalb können wir jedem nur empfehlen, sich selbst davon ein Bild zu machen. Wer echte „Fernsehluft“ schnuppern und schnell einiges über den Videojournalismus lernen möchte, sollte unbedingt eine Hospitanz oder ein Praktikum bei einer Rundfunkanstalt absolvieren – zum Beispiel bei der ARD. Infos dazu gibt es hier.
Weiterführende Literatur:
Martin Ordolff: Fernsehjournalismus. UVK, Konstanz 2005
Gerhard Schult/Axel Buchholz (Hrsg.): Fernseh-Journalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. Econ Journalistische Praxis, Berlin 2011
Titelbild: jsawkins unter CC BY-SA 2.0,
Fotos: privat, Mark Maid unter (CC BY-SA 2.0)
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